Zahnradschäden durch mangelhafte Fresstragfähigkeit des Schmierstoffs

Fresstests als Optimierungsmaßnahme

Fresstragfähigkeit ist auf den ersten Blick ein seltsames Wort. Wenn Sie jetzt an Nahrungsaufnahme, Übergewicht oder Diäten denken, liegen Sie leider völlig falsch. Der Begriff ist rein technischer Natur und bezieht sich auf das Verhalten von Zahnrädern in Maschinen und Getrieben, die unter permanent hoher Belastung stehen, sowie die geeigneten Schmierstoffe, um ein „Fressen“ langfristig zu verhindern.

„Fressen“ bedeutet in der Technik das lokale Zusammenschweißen oder Losreißen zweier ineinander gleitender Maschinenteile – in diesem Fall Zahnräder – auf Grund von mangel- oder fehlerhafter Schmierung. Es tritt meistens an Rauhigkeitsspitzen im Zahnkontakt auf. Die Ursache ist in sehr hohen Temperaturen, auch “Blitztemperaturen” genannt, zu suchen, die abhängig sind von der Last, der Umfangsgeschwindigkeit und nicht zuletzt von der Temperatur der Ölsumpfumgebung.

Die Schmierung macht’s

Bewährte Beschichtungen wie zum Beispiel eine Phosphatierung oder metallhaltige Kohlenwasserstoff-Legierungen mit Wolfram haben sich in der Praxis als am geeignetsten erwiesen, um Zahnradflanken vor zu hohem Abrieb zu schützen. Entscheidend für den sicheren Betrieb von Zahnradgetrieben sind aber nicht nur das Material und die Konstruktion der beweglichen Teile, sondern vor allem auch der eingesetzte Schmierstoff. Wenn die Komposition der eingesetzten Grund-Öle und Additive nicht stimmt, entwickelt der Schmierstoff nicht die benötigte Schmierfilmdicke und erreicht somit nicht die erforderliche Fresstragfähigkeit. Die Folge ist eine partielle Schädigung der Zahnräder, die bei mangelhafter Instandhaltung und Kontrolle am Ende zu einem Totalausfall des Getriebes und damit der Maschine führt.

Unterscheidung zwischen Warmfressen und Kaltfressen

Beim Warmfressen entstehen Fressmarken und Riefen auf Grund einer sehr hohen Gleitgeschwindigkeit und den dadurch bedingten Grenztemperaturen, wenn das Material der Zahnräder und der Schmierstoff nicht optimal angepasst sind. Abhilfe können hier kleinere Module und bei einer Getriebeinstandsetzung der Einsatz von EP-Ölen mit chemisch aktiven Zusatzstoffen bringen. Kaltfressen bedeutet einen riefenartigen Verschleiß der Zahnräder mit sehr starkem Materialabtrag, der durch niedrige Umfangsgeschwindigkeiten entsteht. In diesem Fall helfen eine exaktere Verzahnung, eine glattere Oberfläche der Zahnflanken oder ein zäherer, den Erfordernissen angepasster Schmierstoff.

Was sind Fresstests und wo kann man sie durchführen lassen?

Es gibt in Deutschland verschiedene Institute und Forschungseinrichtungen, die Fresstests an Zahnrädern durchführen. Dafür gibt es Prüfstände, so genannte Zahnrad-Verspannungsprüfmaschinen, die gemäß der Norm DIN 51354 eine genaue Einstellung der Belastungen in den Zahneingriffen, sowie der Temperatur des jeweiligen Schmierstoffs erlauben. Die Ölzufuhr kann dabei als Einspritz- oder Tauchschmierung erfolgen.

Die Forschungsstelle für Zahnräder und Getriebebau der Technischen Universität München (FZG) hat einen Prüfstand entwickelt, mit dem sich Schmierstoffe für Getriebe auf ihre Viskosität und ihre Eignung testen lassen, um ein Fressen der Oberflächen und Flanken von Zahnrädern zu verhindern. Der FZG-Prüfstand hat sich als Standard-Testmaschine etabliert und wird in dieser Form auch von anderen Instituten genutzt.

Die Tests selbst laufen unter unterschiedlichen Bedingungen ab. Dabei werden die Umfangsgeschwindigkeit, die Verzahnung und Drehrichtung der Zahnräder sowie die Ölsumpftemperatur variiert, um die Schadenskraftstufen verschiedener Schmierstoffe zu definieren.

Die FZG kann in vier Testverfahren die Fresstragfähigkeit überprüfen. Der Standardfresstest läuft nach der oben erwähnten Norm DIN 51354 ab, wobei die Kraftstufen zuerst niedrig angesetzt und dann ebenso wie die Blitztemperaturen langsam gesteigert werden. Beim verschärften Fresstest wird die Umfangsgeschwindigkeit verdoppelt und damit auch das Niveau der Blitztemperaturen deutlich erhöht. Der Einlauf in den niedrigeren Laststufen entspricht aber dem Standardfresstest. Im Stufentest wird die Drehrichtung der Zahnräder umgekehrt und eine Verzahnung mit einem schmaleren Ritzel gewählt. Durch die veränderten Randbedingungen erhöht sich die Pressung und erschwert zusätzlich den Eintrag des benutzten Schmierstoffs in die Zahnkontakte. Den Abschluss bildet der so genannte Sprungtest. Hier werden die Lasten nicht stufenweise hochgefahren, sondern direkt und ohne Umwege auf eine bestimmte Kraftstufe eingestellt. Das Ergebnis ist entweder “Pass” oder “Fail” – funktioniert oder funktioniert nicht. Beim Sprungtest erfolgt auch kein Einlauf, d.h. die auftretenden Blitztemperaturen sind höher und werden durch raue Oberflächen verursacht. Der Schmierstoff muss beim Gebrauch in Getrieben allerdings gewisse Einlaufeigenschaften besitzen, damit die Fresstragfähigkeit der Verzahnung gesteigert wird. Deshalb gilt für jeden Fresstest, dass die individuellen Randbedingungen genau beobachtet und dokumentiert werden müssen.

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